Planung

 

Die Entstehung der Bundesautobahn Hansa-Linie vollzog sich – im großen gesehen – in zwei Teilabschnitten und gleichermaßen in zwei Perioden: die räumliche Trennung der beiden Teile ist durch den Schnittpunkt dieser Autobahn mit der Bundesautobahn Cuxhaven – Walsrode – dem Autobahnkreuz Bremen-Ost – gekennzeichnet; eine zeitliche Zäsur setzten dagegen Kriegs- und Nachkriegszeit. Beide Teilstrecken von Hamburg bis Bremen sowie von Bremen bis Kamen gehörten von vornherein zum Autobahn-Grundnetz, das 1933 durch den Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen verkündet wurde. Während jedoch auf der Teilstrecke Hamburg – Bremen bereits 1936 mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte und die Strecke 1939 auf voller Länge dem Verkehr übergeben wurde, kam eine weitere Teilstrecke Bremen – Osnabrück über Planungsvorbereitungen durch die Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahn e.V. (Gezuvor) – Sektion Hansestädte – nicht wesentlich hinaus.

Erst Ende der 50er Jahre konnten die Planungsarbeiten wieder aufgenommen werden; die Planung mußte hierbei den veränderten Verhältnissen angepaßt werden, da nunmehr verstärkt die Frage des Anschlusses entfernt gelegener Wirtschaftsräume und samit eine allgemeine Raumerschließung Bedeutung gewann. So war nicht nur die Aufgabe zu lösen, die Seehäfen Lübeck, Hamburg und Bremen (Bremenhaven/Cuxhaven) mit dem Ruhrgebiet zu verbinden und die gewerbliche und landwirtschaftliche Entwicklung in den unmittelbar berührten Gebieten zu fördern, es mußte gleichzeitig auch an gute Anschlußmöglichkeiten für die großen Wirtschafts- und Verkehrsräume Oldenburg und Ostfriesland mit den Seehäfen Brake, Nordenham, Wilhelmshaven, Emden und Leer gedacht werden. So fiel die Entscheidung zugunsten einer Linie, die westlich Bremen weit nach Nordwesten ausholt und damit die Hansestadt außerordentlich günstig anschließt, im Norden und Westen von Wildeshausen vorbeiführt und im südlich angrenzenden Raum westlich von Vechta verläuft. Dabei war einerseits auf die Streubesiedlung vornehmlich im Bereich des Verwaltungsbezirkes Oldenburg, andererseits auf zahlreiche vorgeschichtliche Kulturdenkmäler (Wildeshausener Geest) Rücksicht zu nehmen. Die Höhenzüge der Dammer Berge sowie des Wiehengebirges galt es an topographisch günstigen Stellen zu durchqueren.

Im westfälischen Bereich wird die Linienführung der hier 92 km langen Autobahn-Strecke bestimmt durch die westliche Umgehung des Siedlungsgebietes von Osnabrück, den Übergang über den Teutoburger Wald, die Lage der Autobahn im Bereich der Stadt Münster, den Lippeübergang mit dem Bergsenkungsgebiet im Bereich des Lippetales sowie den Anschluß an das Kamener Kreuz. Während von 1933 bis 1937 eine Linienführung für die Autobahn östlich Münster vorgesehen war, wurde 1938 erstmals eine westliche Umgehung von Münster untersucht. Nach dem Planungsstand von 1940 sollte Münster von zwei Linien berührt werden. Eine Linie führte aus dem Raum Gladbeck von der Bundesautobahn Oberhausen – Hannover über Haltern etwa parallel der Bundestraße 51 (B 51) und westlich an Münster vorbei, die zweite (Hansa-Linie) vom Kamener Kreuz östlich an Münster vorbei. Beide Linien vereinigten sich nördlich Münster.

Für die Wahl der Autobahntrasse im Raum Münster wurden neben mehreren umfangreichen gutachtlichen Stellungnahmen Vorentwürfe für 3 Varianten aufgestellt, die folgende Linienführung vorsahen:

1. hart östlich Münster neben dem Damm der Umgehungsbahn

2. östlich Münster bei Handorf,

3. westlich Münster.

Als optimale Gesamtlösung unter besonderer Brücksichtigung des Anschlusses an das vorhandene Straßennetz ergab sich eine Führung der Hansa-Linie westlich von Münster. Entscheidend für diese Wahl war hierbei auch die Möglichkeit einer stadtnahen Autobahntrasse; die Autobahn tangiert hierbei das Stadtgebiet mit einem Abstand von rund 5 km zur Bebauung, wodurch andererseits gewährleistet ist, daß die Entwicklung der Stadt nach Westen nicht ungünstig beeinflußt wird. Die aus Süden, Westen und Norden radial auf Münster zustrebenden vier Bundesstraßen B 51, B 54, B 219 und B 235 werden somit gekreuzt, nicht erfaßt wird nur der östliche Ast der B 51 (Warendorfer Straße), deren Verkehrsaufgabe jedoch zum Teil von der Autobahn übernommen wird. Das bestehende Bundesstraßennetz kann damit ohne den Bau neuer Zubringerstraßen angeschlossen werden.

Obwohl die Hansa-Linie im wesentlichen als Flachlandstrecke anzusprechen ist, hat sie im Raume Tecklenburg – Lengerich – Leeden den Höhenzug des Teutoburger Waldes zu überqueren. Der Höhenunterschied gegenüber dem Flachland beträgt etwa 100 m. Als günstigster Aufstieg bot sich zunächst der Paß "Bashake" zwischen Strubberg und Kleeberg an. Die starke Siedlungstätigkeit und die Ausdehnung des Ortes Leeden ließen ein östliches Tangieren jedoch nicht ratsam erscheinen. Aus etwa 30 Varianten wurde schließlich eine Trasse gewählt, die weiter westlich verläuft, den Strubberg sowie die Höhen des Margarethen-Eggs durchquerend, weiter in nordöstlicher Richtung durch den Habichtswald auf Lotte zuführt, das wieder östlich umgangen wird.

Die Linienführung für die rund 20 km lange Teilstrecke zwischen dem Autobahnkreuz Bremen-Ost und der Anschlußstelle Delmenhorst-Ost wurde bereits im Jahre 1958 nach § 16 Bundesfernstraßengesetz durch den Bundesminister für Verkehr bestimmt, die der 92 km langen nordrhein-westfälischen Teilstrecke Kamen – Lotte in den Jahren 1959/60. Eine Festlegung der restlichen rund 102 km langen Strecke Delmenhorst – Lotte erfolgte 1962.

 

Entwurf und Trassierung

 

Die bereits erwähnten zwei großen Teilstrecken der Bundesautobahn Hansa-Linie Hamburg – Bremen und Bremen – Kamen unterscheiden sich aufgrund ihrer historischen Entwicklung wesentlich voneinander. Die Vorkriegsautobahn Hamburg – Bremen besteht aus bis zu 10 km langen Geraden, die durch Kreisbögen mit relativ kleinen Halbmessern (R = 1000 m) miteinander verbunden sind. Die maximal 6000 m großen Bögen sind zwar durch das Anordnen doppelter Vorbögen etwas an die Geraden angeglichen, doch ist die Trassierung nicht in allen Punkten als befriedigend zu bezeichnen. Im Bereich der Gabelung der Autobahnen von Hamburg nach Hannover und von Hamburg nach Bremen, dem Horster Dreieck, wurde die Hansa-Linie auseinandergezogen, wobei Radien mit 500 m Halbmesser als ausreichend galten. In gleicher Weise ist auch im Aufriß ausschließlich die Gerade als Trassierungselement angewendet worden. Die Gefällewechsel sind teilweise mit Kreisbögen ausgerundet, die in Kuppen und gleichermaßen in Wannen häufig nur Halbmesser von 5000 m Länge aufweisen, teilweise kamen – ebenso häufig – Ausrundungen in Fortfall.

Dem Entwurf für die Teilstrecke Hamburg – Horster Dreieck wurde der Vorkriegsregelquerschnitt mit 22,0 m Kronenbreite zugrunde gelegt. Die Teilstrecke Hamburg – Bremen weist noch den Querschnitt der Baurab TG mit 24,00 m Kronenbreite aus. Davon entfielen 5,00 m auf den Mittelstreifen (davon 2 x 0,40 m Randstreifen), 2 x 7,50 m auf die Fahrbahnen und 2 x 1,00 m auf die äußeren Randstreifen. Standspuren wurden nicht angeordnet.

Dagegen ist die Teilstrecke Bremen – Kamen nach modernsten Gesichtspunkten unter Verwendung von Klothoiden trassiert. Zwar ließen sich unmittelbar hinter dem Autobahnkreuz Bremen-Ost und im Übergangsbereich Niedersachsen/Nordrhein-Westfalen vereinzelt Kurvenhalbmesser in der Größenordnung von 2000 m nicht vermeiden; im übrigen weist die Hansa-Linie nur noch Halbmesser auf, die größer sind als 4000 m, so daß nach den bestehenden Vorschriften in diesen Streckenabschnitten das Dachprofil durchgeführt werden kann. Dadurch erübrigen sich die Fahrbahnverwendelungen, die insbesondere im Winter gewisse Gefahren hervorrufen, wie Abfließen des Schmelzwassers nach den Seiten und damit Glatteisbildung auf den Fahrbahnen. Ein weiterer Vorteil dieser Lösung besteht darin, daß Mittelstreifenentwässerungen entfallen können, deren Anlage und Unterhaltung zusätzliche Kosten verursachen.

Im Streckenabschnitt südlich Bremen bereitete die Trassierung der Autobahn wegen der stadtnahen Lage erhebliche Schwierigkeiten. Wasserwirtschaftliche und kulturtechnische Fragen sowie Probleme des Hochwasserschutzes mußten gelöst werden. Die Linienführung der Autobahn wurde in diesem Bereich weitgehend durch Zwangspunkte, wie bestehende Baulücken, Kreuzungen mit Bundesbahnstrecken und mit der Weser, die Bebauung des Ortsteiles Arsten sowie Lage und Länge der Zubringerstrecken bestimmt. Hierbei konnten nach langen und schwierigen Verhandlungen mit viererlei Beteiligten die Interessen aller berücksichtigt werden.

Zwischen dem Autobahnkreuz Bremen-Ost und der Anschlußstellen Delmenhorst-Ost (etwa bei Bau-km 22,0) weist die Autobahn einen 37,50 m breiten Querschnitt – mit Ausnahme eines Teiles der Südumgehung Bremen von Bau-km 5,93–10,47 – mit 7,50 m breiten Richtungsfahrbahnen, beidseitigen 0,75 m breiten Randstreifen, 2,50 m breiten Standspuren, 1,50 m breiten unbefestigten Seitenstreifen sowie einen zunächst auf 11,50 m verbreiterten Mittelstreifen auf. Dadurch können die Richtungsfahrbahnen erforderlichenfalls mit zwei zusätzlichen Fahrspuren von je 3,75 m Breite ausgestattet werden, wobei dann ein Mittelstreifen mit dem bisher verwendeten Regelmaß 4,00 m verbleiben wird. Im Anschluß an die Anschlußstelle Delmenhorst-Ost bis zum Kamener Kreuz hat der übliche 30,00 m breite Autobahnquerschnitt Verwendung gefunden, abgesehen von den Steigungsstrecken des Teutoburger Waldes im nordrhein-westfälischen Bereich, wo Aufweitungen auf 6 Fahrspuren zu einer Kronenbreite von 38 m führten.

In dem vor dem Kriege erstellten Abschnitt zwischen Hamburg und dem Horster Dreieck, wo die Hansalinie in Gemeinschaftsstrecke mit der Hafraba verläuft, ist wegen der dort auftretenden hohen Verkehrsbelastung bereits ein Ausbau auf ebenfalls 6 Fahrspuren erfolgt. Die Teilstrecke vom Horster Dreieck bis Bremen wird zur Zeit auf einen Querschnitt von 30,00 m gebracht, der allerdings gegenüber dem Regelquerschnitt RQ 30 aus Gründen der Verkehrsführung während der Bauzeit 2,75 m breite Standstreifen aufweist. Die unbefestigten Seitenstreifen sind hier auf 1,25 m Breite reduziert.

Eingehende Untersuchungen erforderte noch die Trassierung im Bereich des Lippetales und des Bergsenkungsgebietes. Fachliche Empfehlungen des Franzius-Institutes der Technischen Hochschule Hannover sahen einen Begradigung der Lippe im Kreuzungsbereich mit der Autobahn vor. Die Wahl des Kreuzungspunktes der Autobahn mit der Lippe war außer diesen wasserbautechnischen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung von Bergsenkungsgefahren durch den Flierich-Dreschener Sprung vorzunehmen. Im Hinblick auf das Grubenfeld der Zeche Werne der Klöckner-Königsborn AG mußte mit einem erheblichen Absinken des Geländes infolge des Kohleabbaues gerechnet werden. Die Abstimmung mit dem Bergbautreibenden ergab eine Überhöhung der Autobahngradiente an der Kreuzungsstelle mit dem Datteln-Hamm-Kanal. Hierdurch werden Bergsenkungen bis zu 6,15 m aufgefangen werden; dieses Maß berücksichtigt im übrigen die zu erwartenden Bergsenkungen innerhalb der nächsten 20 Jahre. Der Aufhöhungsbereich beträgt insgesamt etwa 2,3 km. Die Überhöhe bezieht sich auf die Kreuzung der Autobahn mit dem Datteln-Hamm-Kanal, dessen Wasserspiegel mit den Schiffahrtsstraßen bei Münster und Datteln auf gleicher Höhe gehalten werden muß und entsprechend dem Absinken des Geländes durch den Bergbau nach und nach höher eingedeicht werden wird, um den Wasserspiegel auf gleicher Höhe halten zu können. Die hierfür anfallenden Mehrkosten in Höhe von rd. 3,3 Millionen DM sind vom Bergbautreibenden aufgebracht worden.

Besondere Sorgfalt wurde aufgewendet, die überwiegend im Flachland verlaufende Autobahn in den Bereichen des Teutoburger Waldes und der Dammer Berge mit annehmbaren Längsneigungen auszustatten. Die bereits beschriebene Trassierung ermöglichte es, die Höchstwerte hierfür auf 3,5 % beziehungsweise 2,5 % zu begrenzen. Die Gradiente der im ebenen Gelände geführten Trasse – anteilig etwa 90 % der Gesamtstrecke – ist im wesentlichen bestimmt durch kreuzende Verkehrswege und Gewässer sowie durch allgemeine Gesichtspunkte der Entwässerung.

So ist im Bremer Abschnitt die Höhenlage der Fahrbahn von dem vorhandenen hohen Grundwasserstand und dem dort anstehenden frostgefährdeten Schluffboden der Wesermarsch abhängig. Die Gradiente liegt im allgemeinen 2 m über dem Grundwasserstand. Die Höhenlage der Fahrbahn im Bereich der Weserbrücke ist durch die Wasserstände der Weser und die damit freizuhaltenden lichten Durchfahrtshöhen für Eisbrecher und Schiffe sowie die Art der Brückenkonstruktion bedingt. Die Gradiente liegt 9,00 m über dem höchsten schiffbaren Wasserstand der Weser.

Eine weitere wichtige Überquerung eines Gewässers stellt der Emsübergang bei Greven dar. Zur Ermittlung der zweckmäßigsten Lage der erforderlichen Durchflußweite der Brücke über die Ems und der Flutbrücke hat das Franzius-Institut der Technischen Hochschule Hannover Modellversuche durchgeführt, deren besondere Aufgabe daran lag, festzustellen, auf welche Weise einen Minimum an Hebung des höchsten Hochwassers (HHW 1946) oberhalb der Autobahn bei gleichzeitig möglichst geringem Aufwand für die Brückenbauwerke erreichbar ist. Die Ergebnisse dieser Modellversuche wurden im Einvernehmen mit der Wasserwirtschaftsbehörde dem Emsübergang zugrunde gelegt. Es ergab sich ein 3-Feld-Bauwerke über die Ems mit 80 m Lichtweite sowie eine Flutbrücke mit sechs Öffnungen und einer Gesamtlichtweite von 168 m als zweckmäßigste Lösung. Emsbrücke und Flutbrücke sind durch einen 270 m langen Damm getrennt.

Im übrigen konnte in den weiten Ebenen des niedersächsischen Raumes wie auch des Münsterlandes eine großzügige Gestaltung der Gradiente Platz greifen. Grundsätzlich wurde darauf geachtet, den Rhythmus Kuppe/Wanne und Wanne/Kuppe nicht zu unterbrechen, wobei Ausrundungshalbmesser bis zu H = 2000000 m Verwendung fanden. Weitgehend liegt die Fahrbahnoberkante durchschnittlich 2 m über Gelände, wodurch eine einwandfreie Entwässerung gewährleistet ist.